Coronazeit – Sonntag Kantate – 10. Mai 2020 Predigt: Psalm 98, 1

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.

Liebe Gemeinde!
„Kantate“ heißt der heutige, vierte Sonntag nach Ostern. „Singet“ – heißt es im Psalm 98, aus dem diese Einladung kommt.
Es ist natürlich ein komisches, unangenehmes Gefühl, dass ausgerechnet heute, wo wir wieder Gottesdienst feiern können, das Singen so nicht möglich ist. Warum? Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Mindestabstand, der jetzt 1,5/2 Meter ist, beim Singen mindestens 5 Meter sein soll, weil die Aerosole beim Singen mit viel mehr Kraft ausgestoßen werden. D.h. wir dürften in der Kirche dann nur auf Abstand von mindestens 5 Metern voneinander sitzen.
Aber lassen Sie uns über das Singen nachdenken, über das Singen, von dem auch der Psalm spricht: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“
Warum überhaupt singen?
Es gibt mehrere Gründe:
– Das Singen gehört zum Menschsein dazu. Es ist die Art, Gefühle auszudrücken, und nicht unbedingt nur fröhliche Gefühle. Es ist eine Körpersprache, die besonders ankommt, die besonders gehört und verstanden wird.
– Das Singen stärkt die Gemeinschaft. Wenn viele mit einstimmen, spürt man eine neue Kraft. Nicht umsonst gab es Kriegsmärsche. Die sollten den Soldaten Mut machen, in den Kampf zu ziehen. Doch viel wichtiger ist, dass Singen die friedliche Gemeinschaft stärkt. Es gibt viele schöne Lieder, die die Menschen dazu bewegen, sich zu versöhnen, zu umarmen. Und wenn wir bei einer Trauerfeier gemeinsam singen, spüre ich persönlich, dass in dem Singen das Mitgefühl mit den Angehörigen, der Beistand, das Trösten besonders deutlich werden.
– Das Singen ist auch gesund, haben auch die Wissenschaftler rausgefunden. Das Singen soll unter anderem das Immunsystem unseres Körpers aktivieren. Ich denke, in der jetzigen Corona-Zeit ist das nicht unwichtig, dass unsere Abwehrkräfte gestärkt werden.
Es gibt also viele gute Gründe, zu singen, auch zusammen zu singen. Bei Freude und Leid, in guten und in schweren Tagen – es stärkt, es tröstet, es hilft, es schützt, es ermutigt.
Aber in dem Psalm geht es um noch eine Eigenschaft vom Singen. Es geht ja um das Singen eines neuen Liedes für Gott. Ein neues Lied soll dem Herrn gesungen werden. Wenn ich daran zurück denke, wie wir im Gottesdienst ein noch unbekanntes (oder wenig bekanntes) Lied singen, dann glaube ich: Gott freut sich viel mehr, wenn wir ein gut bekanntes Lied singen. Aber im Ernst: Im Psalm geht es nicht um ein unbekanntes Lied. Die genaue Übersetzung für neues Lied aus dem Hebräischen besagt: „Das ist ein Lied, das aus einer Gott schauenden Begeisterung kommt“.
Es ist also viel mehr als ein Lied aus dem Gesangbuch mit einem bestimmten Text und einer Melodie: Es ist eher ein Bekenntnis für Gott als königlichen Richter, es ist ein Erkennen seiner Gerechtigkeit, seiner Weisheit, seiner Zugewandtheit zu seiner Schöpfung, zu seinem Volk, zu uns Menschen. Dieses neue Lied ist Ausdruck des Glaubens. So soll der Glaube an Gott sein: Es soll aus dem Herzen kommen wie ein gefühlvolles Lied, immer wieder neu.
Die Jahreslosung lautet: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ – Aussage eines Menschen, der sich in der Situation der Verzweiflung zu Jesus bekennt. Das war kein fröhliches Singen, es war eher ein Schrei der Seele, ein echtes Bekenntnis vom Herzen – Jesus half dem Menschen und heilte seinen Sohn. Vielleicht kann auch so ein Schrei der Seele ein neues Lied für Gott sein (es heißt ja im Psalm nicht, dass es ein fröhliches Lied sein soll). Auch in den Psalmen der Bibel (Psalm heiß ja übersetzt: „Lied“) gibt es nicht nur fröhliche Passagen, es gibt Klagen, es gibt Hadern, es gibt Zweifeln und Hilfeschreie – alles, was das Herz des Psalmbeters jeweils bewegte.
Glaube bedeutet, Gott an all dem teilhaben zu lassen, was einen bewegt, erfreut oder belastet. Ganz ehrlich, aufrichtig ohne falsch. Wir brauchen ja Gott sowieso nichts vorzumachen. „Er sieht das Herz an“ – sagt uns die Bibel. Auch unser Versagen, unsere Verwundbarkeit bleiben Gott nicht verborgen. Das vor Gott zuzugeben erfordert oft Mut, aber ist Teil dieses neuen Liedes, das wir Gott singen sollen. Und gerade jetzt in der Corona-Zeit wird jeden Tag, jede Stunde deutlich, dass wir eben schwach und verwundbar sind, dass wir uns auf viele Dinge nicht wirklich verlassen können. Aber es wird auch jeden Tag deutlich, dass es auch viele Dinge gibt, die uns Hoffnung machen. Wir sehen Menschen, die in der Corona-Krise Unglaubliches bewirken, wir merken, wie wichtig uns der persönliche Kontakt ist, wir lernen Kleinigkeiten schätzen, an die wir vor ein paar Monaten kaum gedacht hatten. Und es sind oft gerade die Menschen oder Dinge, auf die uns auch die Bibel aufmerksam macht, Gottes Wort, allein die 10 Gebote. Vielleicht ist die Corona-Krise auch eine Chance den Glauben neu zu entdecken, zu erkennen, dass es gut ist, auf Gottes Weisungen zu hören. Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder. Ja, dass wir auch jetzt Wunder erkennen, die uns Hoffnung, die uns Mut geben und neue Perspektiven öffnen, auch mit dem Traurigen dieser Zeit richtig umzugehen.
Dazu segne uns Gott!
Und sein Friede, der höher ist als alle menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Dimitri Schweitz, Pastor

Gebet:

Herr, unser Gott!
Danke für diesen Tag, an dem wir wieder Gottesdienst feiern können, zwar stark eingeschränkt, aber doch hier in unserer Kirche. Danke für die Menschen, mit denen wir feiern dürfen.
Leider können wir nicht singen, zumindest nicht so kräftig, wie wir es vor Corana getan haben. Aber Du weißt, im Herzen ist unser Gesang für Dich, unser Dank und unser Bitten.
So bitten wir Dich für alle, die uns heute fehlen und die wir vermissen, dass sie behütet und gesegnet werden.
Wir bitten dich für alle, die gerade jetzt in Not sind und deine Hilfe brauchen: Die von Corona betroffenen, die Kranken, die Einsamen, die Verzweifelten. Lass sie deinen Beistand spüren.
Wir bitten dich für alle, die in Angst leben und unter Gewalt und Verfolgung leiden, die Enttäuscht sind und ihr Interesse am Leben verlieren. Zeige ihnen einen Ausweg.
Wir bitten für die Verstorbenen, um die wir trauern, dass sie in deiner Ewigkeit geborgen sind. Tröste die Angehörigen und begleite sie auf ihren Wegen.
Auf dein Erbarmen, Gott, sind wir angewiesen, allein und gemeinsam. Hilf uns, dass wir uns dir anvertrauen, heute wie gestern und morgen wie heute, unser Leben lang.
Darum bitten wir im Namen deines Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus.
Amen.

Predigt Ps. 98,1 Kantate-2020 Corona